Impfung

Zusammenfassung des Essener PNH/AA-Patiententags 2022

Update zu PNH und AA

Noch nicht alle Veranstaltungen konnten dieses Jahr wieder in Präsenz stattfinden: Nachdem im vergangenen Jahr das Essener Patienten- und Angehörigenseminar PNH / AA bereits virtuell stattgefunden hat, wurde auch dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie auf eine Präsenzveranstaltung verzichtet: Am 17.09.2022 fand das PNH- und AA-Update in Form einer Videokonferenz statt.

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Aktualisierung der PNH-Leitlinie

Foto: psdesign1_fotolia


 

Anpassung der PNH-Therapieempfehlungen

Medizinische Leitlinien sind Zusammenfassungen der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer Erkrankung – man kann hier neben einer vollständigen Auflistung der möglichen Symptome und den zielgerichtetsten Diagnostikmethoden insbesondere die nach derzeitigem Stand bestmöglichen Behandlungsoptionen nachlesen. Sie dienen vor allem Ärztinnen und Ärzten als unverbindlicher Handlungsleitfaden, beinhalten allerdings auch für Patient.innen* interessante Informationen. Ab und an werden Leitlinien aktualisiert, damit Erkenntnisse neuer Studien in die alltägliche medizinische Praxis miteinfließen – genau dies ist in diesem Monat für die PNH-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) eingetreten.

Die letzte Version stammte noch aus dem November 2019 und eine Überarbeitung war insbesondere notwendig, um Empfehlungen zum Einsatz neuer medikamentöser Therapieoptionen auf den Stand von 2022 zu bringen: Konkret ist hier die Rede von Pegcetacoplan, dem neuen C3-Komplementinhibitor, der seit Dezember 2021 in der EU unter dem Handelsnamen Aspaveli® zugelassen ist und und nach Angaben des Herstellers Swedish Orphan Biovitrum AB (Sobi) voraussichtlich ab April 2022 in Deutschland als Therapieoption verfügbar sein wird. Wir haben auf unserem Blog schon mehrfach über das Medikament berichtet, für Information zu der Wirkweise von Pegcetacoplan verweisen wir auf unseren Artikel vom fünften April 2021. Die neue Leitlinie enthält insbesondere Informationen zu Verordnung und Risiken von Pegcetacoplan, die wir Ihnen im Folgenden kurz zusammenfassen. Darüberhinaus informieren wir beispielsweise über die Anwendung des Medikaments. In der „Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels“ der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) können Sie alles noch einmal nachlesen.

Eine Pegcetacoplan-Therapie kommt für erwachsene PNH-Patienten infrage, die bereits mindestens drei Monate mit einem C5-Komplementinhibitor (Eculizumab, Ravulizumab) behandelt wurden und nach wie vor an einer symptomatischen Anämie leiden. Diese muss nachweislich auf einer extravasalen Hämolyse beruhen – also auf dem verfrühten Abbau der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) in Leber und Milz. Dies lässt sich an bestimmten Blutwerten festmachen (eine deutlich erhöhte Anzahl an jungen, unreifen roten Blutkörperchen (Retikulozyten), ein erhöhter Bilirubin- und ein nur leicht erhöhter LDH-Wert). Die neue Leitlinie verweist hier auf die Zulassungsstudie (PEGASUS), bei der in genau dieser Situation eine Überlegenheit einer weiteren Therapie mit Pegcetacoplan versus mit Eculizumab nachgewiesen wurde.

Pegcetacoplan hat eine eher kurze Halbwertszeit im Körper. Aus diesem Grund muss das Medikament zweimal pro Woche verabreicht werden: Die Applikation erfolgt mit einer oder zwei Nadel(n) unter die obersten Hautschichten (subkutan), z.B. in den Bauch oder den Oberschenkel. Die Infusion dauert je nach Anzahl der Nadeln ca. 30-60 Minuten. Eine Dosis von Pegcetacoplan enthält 1.080 mg des Wirkstoffs. Zu Beginn der Therapie wird das Medikament durch medizinisches Fachpersonal oder in dessen Anwesenheit gespritzt, um die richtige Applikation zu üben und um die Verträglichkeit zu prüfen. Nach dieser Übungsphase dürfen sich Patienten Pegcetacoplan eigenständig zuhause spritzen.

Aus den klinischen Studien und der Erfahrung mit Pegcetacoplan unter anderem aus den USA, wo das Medikament bereits seit Mai 2021 für PNH-Patienten erhältlich ist, sind – wie für praktisch jeden Wirkstoff – einige unerwünschte Arzneimittelwirkungen bekannt. Bei manchen Patienten treten Reaktionen (Rötung, Schwellung, Juckreiz) an den Einstichstellen auf, es kann zu milden Durchfällen oder Bauchschmerzen kommen und es besteht ein höheres Risiko für Infektionen der oberen Atemwege oder andere (virale) Infektionskrankheiten. Nach Absetzen von Pegcetacoplan besteht ein erhöhtes Hämolyserisiko, daher sollten Patienten für ca. acht Wochen nach Beendigung der Therapie regelmäßig ärztlich kontrolliert werden.

Indem Pegcetacoplan den Abbau der Erythrozyten verhindert, werden auch andere Abläufe des körpereigenen Abwehrsystems beeinflusst: Bestimmte Infektionskrankheiten können nicht so effektiv abgewehrt werden, weswegen Patienten vor Behandlungsbeginn gegen einige bakterielle Erreger geimpft werden müssen. Hierzu zählen Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus influenzae Typ B. Besprechen Sie Impfstatus und gegebenenfalls notwendige Erst- oder Auffrischungsimpfungen mit Ihrem behandelnden Arzt. Beachten Sie, dass einige Impfungen in Abständen von einigen Wochen wiederholt werden müssen, damit ein vollständiger Impfschutz gewährleistet ist.

Wenn Sie auf die Pegcetacoplan-Therapie umstellen und bislang einen C5-Inhibitor (Eculizumab, Ravulizumab) erhalten, sollte die Umstellung überlappend erfolgen: In der Hauptzulassungsstudie erwies es sich als bestmögliche Option, die C5-Gabe während der ersten vier Wochen der Pegcetacoplan-Therapie fortzusetzen. Danach kann die alleinige Verabreichung von Pegcetacoplan erfolgen.

 

Text: Katharina von Villiez

 

*Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Beitrag ausschließlich die männliche Form. Selbstverständlich sind dabei Personen jedweden Geschlechts gemeint.

Neuigkeiten aus der Forschung 2021 zur COVID-19-Impfung von PNH- und AA-Patienten

Foto: Fusion Medical Animation_unsplash.com

 

Impfung von PNH-Patienten

Ein Thema, an dem in den vergangenen zwölf Monaten sicher niemand vorbeigekommen ist, ist die Impfung gegen SARS-CoV-2. Eine neue Impfung bedeutet zunächst einmal das Fehlen von Langzeitergebnissen und validen klinischen Daten, also mussten in der Impf-Abwägung für PNH-Patienten rein theoretische Überlegungen angestellt werden:

Einerseits können Impfungen zu den Verstärkern des Komplementsystems gehören, was Hämolyse fördern und die Krankheit verschlimmern kann. Bei Patienten, die komplementinhibierende Medikamente (also bspw. Eculizumab, Ravulizumab oder Pegcetacoplan) erhalten, würde dies als Durchbruchhämolyse bezeichnet werden. Bei Patienten ohne diese Medikation würde man hier von hämolytischer Verschlechterung (Exazerbation) sprechen.

Andererseits erhalten viele PNH-Patienten Medikamente, die einen Teil ihres Immunsystems unterdrücken, oder haben schon von sich aus eine verringerte Knochenmarkfunktion, die das eigene Immunsystem schwächt. Hieraus folgen eine schlechtere Infektabwehr und ein höheres Risiko einer (schweren) Covid-Erkrankung, so dass PNH-Patienten eigentlich genau zu der Gruppe gehören, die von einer Impfung profitieren könnten.

Um diese – erstmal theoretischen – Hypothesen anhand wissenschaftlicher Berechnungen auf die Probe zu stellen und um die Frage zu beantworten, ob eine Impfung für PNH-Patienten denn nun empfehlenswert ist oder nicht, wurden über das vergangene Jahr hinweg Daten von 67 Patienten an fünf italienischen PNH-Zentren gesammelt und ausgewertet.
Während des Beobachtungszeitraumes traten bei 5,9% (insgesamt 4 Patienten) hämolytische Ereignisse auf – davon drei Durchbruchhämolysen und eine hämolytische Exazerbation, diese Fälle waren jedoch alle klinisch beherrschbar. Drei der vier Ereignisse traten nach der zweiten Impfung auf, alle vier in den ersten 24-48h nach der Impfung. Demgegenüber stehen folglich 94% der Studienteilnehmenden, bei denen die Impfungen nicht in zeitlichem und möglicherweise kausalem Zusammenhang mit schweren hämolytischen Ereignissen stehen. An weniger gravierenden Nebenwirkungen traten bei zwei Patienten Fieber (jeweils nach der ersten und zweiten Dosis) und bei einem Patienten Herzrasen nach der ersten Dosis aus, was die Studie angesichts der hohen Patientenzahl ohne Impfreaktion als durchweg gute Verträglichkeit wertet. Nichtsdestotrotz empfehlen die Studienautoren eine sorgfältige klinische und labortechnische Überwachung nach der Impfung, um schwere hämolytische Schübe sowohl bei behandelten als auch bei unbehandelten Patienten rechtzeitig zu erkennen. (Quelle: (https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper150328.html)

Impfung von AA-Patienten

Eine Arbeitsgruppe aus Mailand untersuchte im Rahmen einer großangelegten Bevölkerungsstudie die Auswirkungen der Impfung auf Patienten, die an Autoimmunzytopenien leiden: Hierunter lässt sich eine Gruppe von Erkrankungen zusammenfassen, bei denen eine Fehlregulation des Immunsystems zur verminderten Produktion bestimmter Blutzellen führt – auch die Aplastische Anämie (AA) zählt zu diesem Krankheitsspektrum. In der o.g. Studie wurden insgesamt 100 Patienten mit Autoimmunzytopenien (darunter fünf AA-Patienten) hinsichtlich der Auswirkungen der SARS-CoV-2-Impfung auf die Blutzellbildung untersucht und beobachtet. Die Auswertungen zeigen, dass die SARS-CoV-2-Impfung (in 88% wurde der BioNTech/Pfizer-Impfstoff verwendet) bei etwa 10% der Studienteilnehmenden mit einer leichten Verschlechterung der hämatologischen Werte assoziiert war. Wichtig ist in diesem Kontext, dass bei keinem AA-Patienten durch die Impfung eine signifikante Veränderung der Blutwerte auftrat – allerdings gab es auch nur fünf AA-Patienten in dieser Studie. Die Verfasseren schlussfolgern, dass unter adäquater Überwachung der Blutwerte auch bei Autoimmunzytopenie-Betroffenen angesichts des hohen Nutzens einer Impfung eine sichere Impfkampagne gewährleistet werden kann. (Quelle, englischsprachig: https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper150348.html)

Übersicht weiterer ASH-Veröffentlichungen

 

Text: Katharina von Villiez

 

Hinweis: In diesem Artikel verwenden wir für die bessere Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form. Selbstverständlich sind dabei Personen jedweden Geschlechts gemeint.

Empfehlungen zur COVID-19-Impfung bei AA/PNH

Spritze mit Fläschchen für Impfung © weyo

Aktualisierung der Empfehlungen

Die SARS-CoV-2-Pandemie hat uns weiter fest im Griff. Viele AA/PNH-Patient.innen suchen Rat, ob sie sich (erneut) gegen das Virus impfen lassen sollen. Zwei der deutschen AA/PNH-Spezialisten, Dr. Britta Höchsmann (UK Ulm) und Dr. Jens Panse (UK Aachen), haben die bisher vorliegenden wissenschaftlichen Daten analysiert und ihre Empfehlungen zur Impfung aktualisiert. Die beiden Ärzte weisen ausdrücklich drauf hin, dass ihr Schreiben ihre persönlichen Empfehlungen enthält und keine offizielle Stellungnahme der Unikliniken oder der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) ist. Das Schreiben soll als Hilfestellung verstanden werden, bis die Stellungnahme der Expertengruppe der DGHO vorliegt.

Grundsätzlich sehen Frau Dr. Höchsmann und Herr Dr. Panse das Risiko einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-(“Corona”-)Virus als gravierender an als die möglichen Folgen der Impfung. Die beiden Experten betonen dabei, dass je nach Erkrankung und Status einige Dinge beachtet werden sollten, z.B. Zeitpunkt der Impfung, Art des Impfstoffs etc.

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte direkt den Empfehlungen zur Corona-Impfung bei AA/PNH von Frau Dr. Höchsmann und Herrn Dr. Panse.

12. Essener PNH/AA-Seminar

Zusammenfassung des erstmals virtuell durchgeführten Seminars

Das 12. Essener Patienten- und Angehörigenseminar PNH / AA 2021 fand aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie erstmals in virtueller und verkürzter Form statt.

Über 80 Teilnehmer.innen hatten sich eingewählt und verfolgten zuerst die kurze Begrüßung durch Prof. Dr. Christian Reinhardt, dem neuen Direktor der Klinik für Hämatologie und Stammzelltransplantation der Uniklinik Essen. Im Anschluss trug Prof. Dr. Alexander Röth, Leiter nicht-maligne Hämatologie und Gerinnung an der Uniklinik Essen und Organisator des Seminars, das Update zu Aplastischer Anämie (AA) und PNH vor, das in 4 Abschnitte eingeteilt war:

1 Knochenmark und Symptome

Im Knochenmark werden üblicherweise aus den Stammzellen verschiedene Arten von Blutzellen produziert, bevor sie in die Blutgefäße wandern. Störungen des Knochenmarks können zu Erkrankungen wie AA und PNH führen. So greifen bei der AA bestimmte Abwehrzellen die Stammzellen im Knochenmark an und die Blutproduktion wird – je nach Schweregrad der Erkrankung – unterschiedlich stark beeinträchtigt. In der Folge kommen im Knochenmark verstärkt Fett- und weniger Stammzellen vor.

Symptome einer AA können sein
– Blutungsneigung (Thrombopenie): Blutungen an verschiedenen Stellen, wenn die Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten) reduziert ist
– Blutarmut (Anämie): Blässe, Fatigue, Luftnot, Kopfschmerzen, Ohrensausen, Herzrasen und Brustschmerzen aufgrund von Sauerstoffmangel, der durch eine verminderte Zahl der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) hervorgerufen wird
– Abwehrschwäche (Neutropenie): Infektionen verschiedener Art, z.B. Zahnfleischentzündung, Fieber, Lungenentzündung bei einer reduzierten Zahl weißer Blutkörperchen (Leukozyten)

Wichtig ist es, die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren und – sofern erforderlich – eine Therapie einzuleiten.

Bei der PNH hingegen funktionieren die Stammzellen, allerdings sind diese zum Teil genetisch verändert und geben ihre Störung an die Blutzellen weiter. Deshalb können folgende Symptome vorliegen:
– Zerstörung der roten Blutkörperchen (hämolytische Anämie): möglichen Folgen sind u.a. Blutarmut/Fatigue, dunklem Urin, Bauchschmerzen, Schluckstörungen, Luftnot
– Blutgerinnselbildung (Thrombophilie): an verschiedenen, auch untypischen Stellen im Körper, z.B. Leber
– Knochenmarkversagen (Zytopenie): in unterschiedlicher Ausprägung, geht der PNH oft voraus

2 Therapie der AA

Die Therapiemöglichkeiten der AA liegen grundsätzlich entweder in der Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppression) oder der Stammzelltransplantation. Die Immunsuppression besteht aus einer Kombination von Medikamenten: ATG, Prednisolon und Ciclosporin. ATG steht für Antithymozytenglobulin und ist ein Antikörper, der mithilfe von tierischen Zellen gewonnen wird, vorzugsweise vom Pferd („Pferde-ATG“, ATGAM®). Prednisolon ist ein Kortisonpräparat und wird für 4 Wochen begleitend gegeben, um unerwünschte Reaktionen zu reduzieren. Ciclosporin (Sandimmun®) unterdrückt wie das ATG das Immunsystem und wird in der Regel mindestens 12 Monate verabreicht. Ziel dieser Behandlung ist es, die Zellen zu unterdrücken, die das Knochenmark angreifen, damit es sich erholen und wieder mit der Blutproduktion beginnen kann. Die Ansprechraten liegen in der Kombinationstherapie bei ca. 80 % und meist dauert es 3-6 Monate, bis sich eine Wirkung zeigt.

Seit einigen Jahren wird in der Zweitlinientherapie, also wenn die erste Behandlung nicht geholfen hat oder nicht mehr wirkt, auch das Medikament Eltrombopag (Revolade®) eingesetzt. Es regt die Produktion der Blutplättchen an, kann aber auch die anderen Blutzellenarten stimulieren. In einer Studie („RACE“) wurde die Wirksamkeit von Eltrombopag zusammen mit ATG und Ciclosporin in der Erstlinientherapie gezeigt. In Deutschland konnte diese Studie aufgrund fehlender Medikamentenzulassung nicht durchgeführt werden.

Prof. Dr. Röth fasste den AA-Teil seiner Präsentation mit den Hinweisen zusammen, dass
– die Prognose der AA heute sehr gut ist
– es wichtig ist, die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren und möglichst in einem spezialisierten Zentrum entsprechend den Leitlinien zu behandeln
– Pferde-ATG der Standard der Erstlinientherapie ist (aktuell muss vor Therapie eine Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse eingeholt werden, die Zulassung wird im Herbst 2021 erwartet)
– mit Eltrombopag die Ergebnisse der Erstlinienbehandlung weiter verbessert werden können

3 Therapie der PNH

PNH-Zellen fehlen durch die erwähnte genetische Veränderung bestimmte Moleküle an ihrer Oberfläche. Sie sind deshalb schutzlos Angriffen eines Teils des Immunsystems ausgesetzt, des Komplementsystems, dann tritt die Zerstörung der roten Blutkörperchen (Hämolyse) innerhalb der Blutgefäße (intravasal) ein. 2007 wurde in der EU das erste PNH-spezifische Medikament zugelassen, der Antikörper Eculizumab (Soliris®). Er wird alle zwei Wochen als Infusion verabreicht und unterdrückt das Immunsystem an einer bestimmten Stelle (C5), man nennt ihn einen C5-Komplementinhibitor. Durch dieses Medikament hat sich die Prognose der PNH erheblich verbessert, doch behielten bis zu 80 % der damit behandelten Patient.innen ihre Blutarmut. Ein Grund dafür ist, dass das Komplementsystem die Blutzellen über andere Wege weiterhin zerstören kann, was zur extravasalen Hämolyse und dem Abbau der roten Blutkörperchen in Milz und Leber führt. 2019 wurde die Weiterentwicklung von Eculizumab, das Medikament Ravulizumab (Ultomiris®) in der EU zugelassen, das nur noch alle 8 +/- 1 Wochen als Infusion gegeben wird und ebenso wirksam wie Eculizumab ist. Wichtig ist bei beiden Medikamenten, dass die Patient.innen eine Meningokokkenschutzimpfung erhalten, die alle 3 Jahre aufgefrischt werden muss.

Daneben gibt es eine Reihe weiterer Medikamente, die sich derzeit in der klinischen Erprobung befinden. Prof. Dr. Röth stellte 3 Präparate davon vor, die in Studien eine Verbesserung der PNH-relevanten Werte gegenüber unbehandelten oder mit einem der bisher zugelassenen C5-Komplementinhibtoren gezeigt haben:
– Crovalimab (SKY59), ebenfalls ein C5-Antikörper; das Medikament wird alle vier Wochen unter die Haut gespritzt und hat einen anderen Wirkmechanismus als Eculizumab
– Pegcetacoplan (APL-2), ein C3-Komplementinhibitor, der synthetisch hergestellt wird; die Verabreichung erfolgt 2-3-mal pro Woche mit einer Pumpe unter die Haut, die Zulassung ist in den USA erfolgt und in der EU beantragt
– Iptacopan (LNP023), ein Faktor B-Blocker; Faktor B ist Teil des Komplementsystems; das Medikament wird in Form von Kapseln 2-mal täglich gegeben

Zusammenfassend erläuterte Prof. Dr. Röth, dass
– mit Ravulizumab eine neue Standardtherapie der PNH zur Verfügung steht, die gut verträglich ist und mit 8 +/- 1 Wochen ein gegenüber Eculizumab deutlich verlängertes Infusionsintervall hat
– bei Schwangerschaften eine individuelle Beratung erforderlich ist, da es keine veröffentlichten Erfahrungen mit Schwangerschaft unter Ravulizumab gibt
– unbedingt die Meningokokkenschutzimpfung erfolgen muss und bei Verdacht auf eine Meningokokkeninfektion die Standby-Therapie (750 mg Ciprofloxacin) einzunehmen ist
– neue Substanzen mit verbessertem Ansprechen, unterschiedlichen Darreichungsformen und neuen Sicherheitsprofilen in klinischen Studien getestet werden.

4 Fatigue und SARS-CoV-2-Impfung

Im letzten Teil seines Vortrags ging Prof. Dr. Röth auf die zum Teil erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die Fatigue ein, die sich sowohl bei PNH- als auch AA-Patient.innen zeigen kann. Sie fühlen sich häufig müde und erschöpft, und Schlaf kann dieses Gefühl nicht oder nur teilweise kompensieren. Prof. Dr. Röth stützte seine Aussage auf eine Auswertung des PNH-Registers, das die Fatigue als das am häufigsten auftretende Symptom ausweist. Das PNH-Register erfasst seit vielen Jahren verschiedene Daten von PNH-Patient.innen, um Erkenntnisse über die Erkrankung und Auswirkung der bisherigen Therapie zu gewinnen.

Schließlich erläuterte Prof. Dr. Röth, dass nach bisherigen Erfahrungen mit der SARS-CoV-2-(„Corona“-)Schutzimpfung AA-Patient.innen sich nicht pauschal gegen SARS-CoV-2 impfen, sondern sich vor der Corona-Schutzimpfung individuell beraten lassen sollten. Bereits Geimpfte können ihren Impfschutz (Titer) bestimmen lassen. PNH-Patient.innen, die einen Komplementinhibitor erhalten, haben bisher – soweit bekannt – keine schwerwiegenden COVID-19-Krankheitsverläufe gezeigt.

Prof. Dr. Röth schloss seinen Vortrag mit dem Abschlussfoto des 11. Patienten- und Angehörigenseminars, das 2019 in gewohnter Umgebung in der Uniklinik Essen stattfand, und wies auf das 13. Seminar hin, das am 17.09.2022 wieder im Deichmann-Auditorium der Uniklinik Essen stattfinden soll.

Nach einer kurzen Pause schloss sich eine fast einstündige Fragerunde an, in der die Teilnehmer.innen ihre vielfältigen Fragen mit Mikrofon und Video oder im Chat einbringen konnten. Nachdem Prof. Dr. Röth alle Punkte beantwortet hatte, schloss er das Seminar pünktlich und verlieh seiner Hoffnung noch einmal Ausdruck, dass die Veranstaltung 2022 in Präsenz stattfinden wird.

Wir danken Prof. Dr. Röth für das Update und sein Engagement und hoffen ebenfalls auf ein persönliches Wiedersehen mit allen Beteilgten beim Patienten- und Angehörigenseminar 2022!

Text: Ulrike Göbel

Download der Präsentation

Information zur Corona-Impfung bei Aplastischer Anämie

Veröffentlichung eines Hinweis

Prof. Dr. Alexander Röth von der Uniklinik Essen weist in einem DGHO-Papier auf Verdachtsfälle bei Patient.innen mit Aplastischer Anämie in Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-(“Corona”-)Schutzimpfung hin. Im Westdeutschen Tumorzentrum (WTZ) sind bei 3 Patient.innen nach der Impfung Rückfälle der Erkrankung (Rezidive) beobachtet worden. Bei 3 weiteren Patient.innen ist die Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten) anhaltend gefallen, zudem erhielten 2 Patient.innen die Erstdiagnose der Aplastischen Anämie kurz nach der Impfung.

Patient.innen mit Aplastischer Anämie sollten sich daher bezüglich (weiterer) SARS-CoV-2-(“Corona”-)Impfungen unbedingt mit ihrem behandelnden Hämatologen beraten.

Download DGHO-Papier

Dritte Impfung scheint Schutz vor Corona bei immunsupprimierender Therapie zu erhöhen

Spritze mit Fläschchen für Impfung © weyo

Impfen, Impfen, Impfen – es gibt wenig andere Themen, welche die Medien, die Politik, aber auch unsere Gespräche mit Familie und Bekannten momentan so sehr dominieren: Zurecht, denn die Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus und die steigenden „Durchimpfung“ der Bevölkerung nähren die Hoffnung darauf, diese Krise irgendwann zu überwinden.

Seit einigen Monaten jedoch gibt es Hinweise dafür, dass die Corona-Impfung nicht bei allen Menschen gleich gut wirkt: In einer Studie von März dieses Jahres wurde herausgefunden, dass Menschen unter immunsupprimierender Therapie weniger Schutz vor einer COVID-19-Infektion entwickeln können als Menschen ohne diese Medikation. Dies lässt sich einfach erklären:WEITER

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