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Erfahrungsbericht von Ulrike Göbel

 

Erste Unregelmäßigkeiten in meinem Blutbild wurden im März 1999 in Form einer Thrombozytopenie festgestellt, als ich Blut spenden wollte (Ironie des Schicksals?). Körperliche Symptome wie eine erhöhte Blutungsneigung waren mir bis dahin nicht aufgefallen. Wenige Wochen später veränderten sich allerdings auch die Erythozyten- und die Leukozytenwerte; ich wurde anämisch, und bei den Leukozyten war eine Verschiebung zugunsten der Lymphozyten zu verzeichnen. Zwei Knochenmarkpunktionen brachten zunächst keine eindeutige Diagnose, sodass „ins Blaue“ therapiert wurde, bis im Oktober 1999 eine weitere Punktion die Diagnose „sehr schwere Aplastische Anämie (vSAA)“ ergab.

Zu dem Zeitpunkt war ich bereits transfusionsabhängig und wurde am Tag der Diagnose umgehend ins Krankenhaus bestellt, um das erste ATG zu erhalten sowie mit der Ciclosporin-Therapie zu beginnen, die bis zum Sommer 2007 fortgesetzt wurde. Das ATG (vom Kaninchen) schlug nicht an; ich erhielt weiterhin Transfusionen (Thrombozyten ca. alle 6, Erythozyten ca. alle 14 Tage) und zur Unterstützung des schwachen Immunsystems zahlreiche Prophylaktika. Mir blieb nichts weiter übrig, als zu warten und zu hoffen, dass das Knochenmark sich doch noch erholen würde.

Im Februar 2000 wurde die PNH diagnostiziert, die zu dem Zeitpunkt jedoch keine Rolle spielte, da erst einmal die Behandlung der Aplastischen Anämie im Vordergrund stand. Hierfür erhielt ich zwei Monate später das zweite ATG, dieses Mal vom Pferd. Im Juni 2000, zwei Monate nach der Therapie, begann das Knochenmark mit einer zaghaften Thrombozytenproduktion, die reichte, um die Transfusionen zu beenden, und auch die Gabe der Infekt-Prophylaktika wurde sukzessive eingestellt. Die letzten fremden Erythrozyten erhielt ich zunächst im Januar 2001; gleichzeitig kam die erste sichtbare PNH-Krise.

Bis 2002 hatten sich meine Blutwerte zunehmend stabilisiert, doch drückte der Hämoglobinwert bereits die anhaltenden PNH-Krisen aus. Deren Symptome konnten durch die regelmäßige Gabe von Erythrozytenkonzentraten (seit Herbst 2005) und Prednisolon zwar vorübergehend gemildert werden, doch schränkten sie die Lebensqualität erheblich ein. Vor allem das ausgeprägte Schwächegefühl belastete mich, häufig verbunden mit dem gefühlten Felsen, der auf meinen Bauch drückte. Daher habe ich im Juni 2010 mit der Therapie des Antikörpers Eculizumab begonnen. Seither sind die Hämoglobinurien verschwunden, was eine große Erleichterung ist, da ich die PNH-typischen Symptome seltener und viel schwächer spüre. Dennoch benötigte ich weiterhin Transfusionen und fühle mich nur sehr eingeschränkt leistungsfähig. Meine Leukozyten- und Thrombozytenwerte sind stabil.

Seit 2000 bin ich erwerbsunfähig verrentet. Ich habe die damit verbundene finanzielle Sicherheit und „Freizeit“ genutzt und von 2001 bis 2006 in Teilzeit Geschichte an einer englischen Fernuniversität studiert und damit nachgeholt, was ich immer schon machen wollte. Das Studium hat mir viel Spaß gemacht, aber der Leistungsdruck hat mir auch sehr zugesetzt und mir gezeigt, dass ich auf Dauer kaum konzentriert arbeiten kann.

Mein Arbeitgeber hat während der gesamten Zeit meiner Erkrankung zu mir gehalten und beschäftigt mich seit 2001 für wenige Stunden pro Woche. Dies gibt mir die Möglichkeit, neben meinem ehrenamtlichen Engagement ein wenig am Berufsleben teilzuhaben und auch dort soziale Kontakte zu pflegen. Dieses Entgegenkommen schätze ich sehr.

Mit der Zulassung von Ravulizumab im Juli 2019 hat sich bereits mein Wunsch erfüllt, statt 14tägig nur noch alle acht Wochen zur Infusion in eine Praxis oder Klinik gehen zu müssen. Jedoch macht mir die Fatigue weiterhin zu schaffen, obwohl sich jetzt auch meine Erythrozytenwerte stabilisiert haben und ich kaum noch Konzentrate benötige. Meine Hoffnung setze ich in die Medikamente, die die Hämolyse weitreichender verhindern als die C5-Inhibitoren und von denen sich bereits einige in der klinischen Erprobung befinden.

Seit Januar 2022 nehme ich an einer klinischen Studie teil, in der ein neues PNH-Medikament erprobt wird. Damit bin ich sehr zufrieden, da ich die Therapie zwei Mal täglich in Kapselform einnehmen kann und nicht mehr regelmäßig für Infusionen in eine Klinik oder Praxis fahren muss. So habe ich ein Stück Freiheit wiedergewonnen.

Noch nicht erfüllt hat sich mein Wunsch, die zum Teil lähmende Fatigue abschütteln zu können, und auch Schmerzen im Rücken und in den Extremitäten treten immer wieder auf. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich diese Einschränkungen auch noch bessern.
 
Kontakt gern per E-Mail an ug-sh(at)web.de
 
Berlin, März 2023