Wenig verwunderlich ist es, dass in vielen derzeit laufenden Studien der im vergangenen Jahr neu zur PNH-Behandlung zugelassene C3-Komplementinhibitor Pegcetacoplan untersucht wird (in unseren Blogbeiträgen vom 05.04. und 22.12.2021 berichteten wir bereits ausführlich über das Medikament).
Eine Studie verglich zwei PNH-Patientengruppen miteinander, von denen eine Pegcetacoplan erhalten hat, eine andere Gruppe zwar auch behandelt wurde, jedoch ohne Gabe eines Komplementinhibitors. Hierzu zählt nicht nur Pegcetacoplan, sondern auch beispielsweise Eculizumab und Ravulizumab. Es zeigte sich, dass die Patienten unter Pegcetacoplan-Therapie einen signifikant stabileren Hämoglobinwert aufwiesen und die LDH-Werte (ein unspezifischer Marker für Hämolyse, also den Zerfall von roten Blutkörperchen) niedriger waren als bei der Vergleichsgruppe ohne Pegcetacoplan. Bei manchen Patienten, die Pegcetacoplan erhielten, kam es zu Hautreaktionen an der Einstichstelle (Pegcetacoplan wird unter die Haut gespritzt). Als weitere Nebenwirkungen traten ein Abfall des Kaliumspiegels im Blut und Fieber auf – nichts davon jedoch in einem Ausmaß, das zum Absetzen des Medikaments geführt hätte. Entsprechend spricht das Forschungsteam hinter der Studie von einem guten Nutzen-Risiko-Profil von Pegcetacoplan. (Quelle, englischsprachig: https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper147493.html)
Eine weitere Arbeit schaute sich die drei großen Studien zu Pegcetacoplan (PEGASUS, PADDOCK, PALOMINO) noch einmal genauer an: Die PADDOCK- und PALOMINO-Studien haben gezeigt, dass Pegcetacoplan die wichtigsten hämatologischen und klinischen Parameter, einschließlich des Hämoglobinspiegels und eines Fatigue-Assessments (eine Einschätzung der krankheitsbedingten Erschöpfung und Kraftlosigkeit) verbessert. Die PEGASUS-Studie zeigte, dass Pegcetacoplan dieselben Parameter bei PNH-Patienten mit suboptimalem Ansprechen auf eine vorherige Eculizumab-Behandlung wirksamer verbesserte als Eculizumab. Die Verfasser dieser Arbeit ermittelten mit einer post-hoc-Analyse (einem speziellen statistischen Verfahren) der Daten der drei Studien, dass ein erheblicher Anteil der Patienten gut bis vollständig auf die Pegcetacoplan-Therapie ansprach und sich hämatologische Parameter darunter signifikant verbesserten. (Quelle, englischsprachig: https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper147988.html)
Eine sehr ähnliche Auswertung (ebenfalls eine post-hoc-Analyse der drei o.g. Studien) wurde von PD Dr. Jens Panse (Uniklinikum Aachen) päsentiert. Er kam mit seinen Kollegen zu denselben Ergebnissen und wies spezifisch darauf hin, dass Pegcetacoplan den Studien zufolge nicht nur eine Verbesserung bei Patienten mit niedrigem Ausgangs-Hämoglobinwert hat, sondern dass auch Patienten mit nahezu normalen Werten von einer Pegcetacoplan-Therapie profitieren können. (Quelle, englischsprachig: https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper146962.html)
Eine weitere Studie zu Pegcetacoplan wurde vorgestellt, die jedoch noch nicht abgeschlossen ist: Es handelt sich um eine Studie, die an bis zu 160 PNH-Patienten die Langzeitsicherheit und -wirksamkeit hinsichtlich der komplementvermittelten hämolytischen Aktivität, der Hämoglobinwerte und der Transfusionsunabhängigkeit von Pegcetacoplan untersuchen soll. Erste Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr veröffentlicht werden – wir sind gespannt! (Quelle, englischsprachig: https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper148042.html)
Ein Medikament, das im Gegensatz zu Pegcetacoplan schon seit fast 15 Jahren zur PNH-Therapie zugelassen ist, ist Eculizumab, ein C5-Komplementinhibitor. Eine neue Arbeit vergleicht anhand einer großen internationalen Patientenkohorte die Ausgangscharakteristika und das Gesamtüberleben bei PNH unter bzw. ohne Eculizumab-Therapie: Die Autoren verwendeten Daten aus dem auf die Zukunft gerichteten (prospektiven), beobachtenden Internationalen PNH-Register und schlossen alle Patienten zwischen 03/2007 und 04/2021 ein, sodass sie auf eine Anzahl von 4627 Patienten kamen. Das ist für eine wissenschaftliche Datenauswertung recht viel. Die Analyse der Registerdaten ergab, dass die Eculizumab-Behandlung das Überleben der Patienten im Vergleich zu einer nie behandelten Kohorte zu einem vergleichbaren Zeitpunkt in ihrem Krankheitsverlauf verbessert. Der Überlebensvorteil unter Therapie zeigte sich sowohl bei leicht als auch bei schwer Erkrankten, war bei behandelten Patienten mit hoher Krankheitsaktivität aber noch ausgeprägter. (Quelle, englischsprachig: (https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper153560.html
Eine weitere Arbeit, die ebenfalls Datensätze aus einem Register verwendet, vergleicht die Hämoglobinwerte von Patienten, die mit Eculizumab oder mit Ravulizumab behandelt werden. Ravulizumab ist genau wie Eculizumab ein Antikörper aus der Gruppe der C5-Komplementinhibitoren. Ravulizumab gilt als Weiterentwicklung von Eculizumab, es existieren aufgrund der relativ neuen Zulassung (2019) jedoch noch keine validen Langzeitdaten. In der o.g. Auswertung werden die Hämoglobinwerte von 58 mit Ravulizumab und 124 mit Eculizumab behandelten PNH-Patienten bei Therapiebeginn und sechs Monate später betrachtet. Die Analyse zeigt für beide Kohorten allenfalls einen Trend zum Hämoglobinanstieg, der bei den Ravulizumab-Behandelten noch geringer als bei Patienten unter Eculizumab-Therapie ausfällt. Als möglichen Grund für trotz Anti-C5-Therapie niedrige Hämoglobinwerte wird der Zerfall von roten Blutkörperchen außerhalb der Gefäße (extravasale Hämolyse) angesehen, welchen diese Art von Medikamenten nicht verhindern können. Die Autoren der Studie sagen jedoch selbst, dass beispielsweise andere Laborwerte wie die absolute Retikulozytenzahl und die LDH miteinbezogen werden müssten, um ein ganzheitliches Bild des Therapieerfolgs mit C5-Komplementinhibitoren zu erhalten. (Quelle, englischsprachig: (https://ashpublications.org/blood/article/138/Supplement%201/1112/480469)
Eine andere Auswertung untersucht ebenfalls Behandlungsdaten dieser beiden Medikamente: In der Arbeit sollten Hinweise darauf gefunden werden, welche Variablen im Rahmen einer PNH-Behandlung mit Ravulizumab oder Eculizumab besonders großen Einfluss auf die Müdigkeit und die Lebensqualität von Patienten mit PNH ausüben. Es zeigte sich, dass insbesondere die Verringerung des LDH-Werts für eine Verbesserung dieser beiden Größen einen besonders hohen Vorhersagewert hatte. Ein sinkender LDH-Wert hängt vermutlich enger mit weniger Müdigkeit und besserer Lebensqualität zusammen als ein steigender Hämoglobinwert. (Quelle, englischsprachig: (https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper144554.html)
Für die PNH wird momentan viel an neuen Medikamenten geforscht, die noch nicht für die Behandlung in Deutschland zugelassen sind: Zwei Beispiele hierfür sind Pozelimab (auch ein C5-Komplementinhibitor) und Cemdisiran (ein RNA-Molekül, das ebenfalls den C5-Faktor schwächt). Beide Medikamente werden unter die Haut (subkutan) verabreicht. Es gibt Hinweise darauf, dass die Kombination der beiden Medikamente eine geringere Dosis erforderlich bzw. längere Intervalle zwischen den Verabreichungen möglich macht, was für die Patienten angenehmer wäre. Eine noch laufende Studie an 18 gesunden Probanden macht es sich zum Ziel, erste Daten zu Sicherheit und Verträglichkeit einer Kombination von Cemdisiran und Pozelimab vorzulegen. Vorläufige Zwischenergebnisse zur Sicherheit weisen darauf hin, dass diese Therapie im Allgemeinen sicher und gut verträglich ist. (Quelle, englischsprachig: (https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper146205.html)
Dieselbe Forschungsgruppe führte eine weitere Studie mit Pozelimab durch: 24 PNH-Patienten (die mindestens 6 Monate nicht – teilweise auch noch nie – mit einem Komplementinhibitor behandelt wurden) erhielten 26 Wochen lang einmal wöchentlich eine subkutane Pozelimab-Injektion. Bis auf einen Patienten verringerte sich der LDH-Wert bei allen Patienten nach 4 Wochen auf ein normales Niveau, was als erfolgreiche Hämolyse-Hemmung angesehen wird. Auch wenn teilweise Kopfschmerzen und vereinzelt Übelkeit unter Therapie auftraten, erachtet auch diese Studie die Behandlung mit Pozelimab als sicher und verträglich. Die Studie wird nun mit denselben Teilnehmenden weitergeführt, um die Langzeitwirkung und -sicherheit zu evaluieren. (Quelle, englischsprachig: (https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper146178.html)
Ein weiteres Medikament, das sich noch weit entfernt von der klinischen Zulassung in der Erprobungsphase befindet, ist Iptacopan: Ebenfalls ein Inhibitor eines Komplementfaktors (Faktor B), der auch eine zentrale Rolle in der Einleitung der Hämolyse bei PNH-Patienten spielt. Iptacopan wird in dieser Studie 13 Patienten zweimal pro Tag oral verabreicht. Bisher sind nur Zwischenergebnisse nach zwölf Monaten veröffentlicht: Während zwei Patienten die Studie abbrachen, erreichten die verbliebenen elf eine Senkung des LDH-Wertes um 60% in den ersten 3 Monaten der Einnahme, was im Vorhinein als Studienziel ausgegeben war. Die LDH-Werte hielten sich den Rest der Studiendauer stabil niedrig, auch der Hämoglobinwert verbesserte sich signifikant und dauerhaft und die Patienten berichteten über weniger Müdigkeit. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet. Auch wenn die Studie nur an wenigen Patienten durchgeführt wurde, schätzen die Autoren Iptacopan als eine sichere und erfolgreiche Therapiealternative ein. (Quelle, englischsprachig: https://ash.confex.com/ash/2021/webprogram/Paper152518.html)
Übersicht weiterer ASH-Veröffentlichungen
Text: Katharina von Villiez