Ravulizumab (Ultomiris®) ohne Zusatznutzen

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat dem zweiten gegen die Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie (PNH) zugelassenen C5-Komplementinhibitor Ravulizumab (Ultomiris®) keinen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie (bisheriger Standard) Eculizumab (Soliris®) bescheinigt. Dies ergab das Nutzenbewertungsverfahren nach § 35a SGB V, das am 06.02.2020 abgeschlossen wurde.

 

Wie war der Ablauf?

Nachdem Ravulizumab am 02.07.2019 zugelassen wurde, begann am 01.08.2019 das Nutzenbewertungsverfahren, indem der pharmazeutische Unternehmer Alexion Pharma Germany GmbH das Dossier beim G-BA einreichte. Dies besteht aus 5 Modulen, von denen 4 auf der Website des G-BA veröffentlicht wurden, die insgesamt 1.816 Seiten umfassen. Für ein Arzneimittel, das bei einer sehr seltenen Krankheit und damit einhergehend sehr wenigen Patienten eingesetzt wird, war die Studienlage wesentlich aussagekräftiger als in vielen anderen Fällen. Bereits am 29.01.2019 wurde Eculizumab (Soliris®) als zweckmäßige Vergleichstherapie für dieses Verfahren festgelegt, sodass sich das neue Medikament an dem seit Jahren etablierten messen lassen musste.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) wurde mit der Bewertung des Dossiers beauftragt, d.h. dort hat man die eingereichten Studienunterlagen evidenzbasiert und nach den gültigen Kriterien analysiert und einen Bericht verfasst, der am 04.11.2019 veröffentlicht wurde. Parallel dazu hat das IQWiG uns, als die beim G-BA für diese Erkrankung akkreditierten Patientenvertreter, kontaktiert, um die Einschätzung und die Bedürfnisse der Patienten in Bezug auf die PNH und die Therapieoptionen kennenzulernen und berücksichtigen zu können. Da der pharmazeutische Unternehmer während des Verfahrens Daten nachgeliefert hat, wurde das Addendum ebenfalls vom IQWiG bewertet.

Im Anschluss daran konnten sogenannte Stellungnahmeberechtigte, z.B. medizinische Fachgesellschaften, Kliniken, Ärzte, pharmazeutische Unternehmen, nach Abgabe einer Offenlegungserklärung ihre Sichtweise zur Dossierbewertung bis zum 22.11.2019 abgeben. Die gesammelten Informationen wurden dann den Mitgliedern des Unterausschusses (UA) Arzneimittel und der Arbeitsgruppe (AG) § 35a zur Vorbereitung übermittelt.

Am 10.12.2019 fand die Anhörung statt, bei der der pharmazeutische Unternehmer sein Dossier vorgestellt hat, auf die Dossierbewertung eingehen konnte und die Fragen der Mitglieder des UA Arzneimittel beantworten musste. Außerdem waren medizinische Experten geladen, die aus ihrer klinischen bzw. wissenschaftlichen Erfahrung die Fragen der UA-Mitglieder beantworteten. In diesem Fall handelte es sich um Prof. Wörmann von der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), Prof. Schubert vom Elbland-Klinikum Riesa und Dr. Höchsmann von der Uniklinik Ulm. Die Sitzung wurde zwar wie vorgesehen nicht-öffentlich abgehalten, aber im Wortprotokoll kann alles nachgelesen werden.

Die AG § 35a tagte am 17.12.2019 und 21.01.2020 in nicht-öffentlicher Sitzung, um die Beschlussempfehlung vorzubereiten. Hier werden intensiv die verschiedenen Standpunkte zwischen dem GKV-Spitzenverband, den Spitzenorganisationen der Leistungserbringer, also der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), sowie den Patientenvertretern diskutiert. Gemeinsam wurden die Beschlussvorlage und die Tragenden Gründe formuliert, die dem UA Arzneimittel zur Beschlussfassung vorgelegt wurden. Schließlich hat das Plenum am 06.02.2020 die Änderung der Arzneimittelrichtlinie beschlossen, sodass Ravulizumab aufgenommen wurde.

 

Fazit

Die Ergebnisse der beiden vorgelegten Studien waren im Sinne des Studiendesigns einer Nichtunterlegenheitsstudie positiv, d.h. es konnte gezeigt werden, dass Ravulizumab nicht schlechter als die festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie Eculizumab ist. Es konnte allerdings nicht ausreichend dargelegt werden, dass Ravulizumab wirksamer, besser verträglich oder mit besseren Ergebnissen bei der Lebensqualität gegenüber Eculizumab ist.

Die Tatsache, dass Patienten nur noch alle 8 statt alle 2 Wochen zur Infusion müssen, spiegelte sich in den Daten zur Lebensqualität nicht wider.  Lediglich bei dem Kriterium “globaler Gesundheitsstatus” zeigte sich in einer Studie ein signifikanter Vorteil von Ravulizumab gegenüber Eculizumab. Da nur das Erlangen der Transfusionsfreiheit ein patientenrelevantes Kriterium ist, hatte die geringere Anzahl der Transfusionen bei Ravulizumab keine Auswirkung. Einzig die geringere Anzahl der Durchbruchhämolysen deutete auf einen Zusatznutzen hin, aber die Bewertung der Symptome erfolgte nur bei erhöhtem LDH-Wert, was eine unzulässige Koppelung an einen Blutwert darstellte und deshalb nicht als Endpunkt geeignet ist.

 

Wie geht es weiter?

Der pharmazeutische Unternehmer und der GKV-Spitzenverband verhandeln über den Preis, den Ravulizumab ab dem zweiten Jahr nach der Zulassung kosten darf. Für das erste Jahr nach der Zulassung wurde der Preis durch den pharmazeutischen Unternehmer festgelegt. Da kein Zusatznutzen bescheinigt wurde, wird der Preis wahrscheinlich in derselben Größenordnung liegen wie bei Eculizumab – was auch jetzt schon der Fall ist.