Online-Patiententag PNH-Therapie

Bericht zur Ulmer Veranstaltung der Uniklinik Ulm vom 09.11.2024

„Die PNH ist eine heterogene Erkrankung. Für eine optimale Therapie ist also eine Beurteilung der Symptome und der Lebensqualität notwendig.“

Deswegen sind Patiententage wie der des Universitätsklinikums Ulm am 09.11.2024 unglaublich wichtig, bei dem es um folgendes Thema ging: „Viele Wege und Blockaden – Was bedeutet die Verfügbarkeit der unterschiedlichen Komplementmodulatoren für mich?“ Frau Dr. Höchsmann begann ihren aufschlussreichen Online-Vortrag direkt mit der Frage, wie viele der Teilnehmenden bereits eine Therapie für die PNH erhalten haben – 13 von 38.

Anschließend gab sie einen Überblick über die „Geschichte“ der PNH-Medikamente und erklärte die Wirksamkeit und den Wirkmechanismus der einzelnen Präparate. 2007 kam mit Eculizumab das erste PNH-Medikament auf den Markt und revolutionierte sowohl das Überleben als auch das Leben von PNH-Patienten. Es muss jedoch alle 2 Wochen in die Vene gegeben werden, so stellte der Nachfolger Ravulizumab 12 Jahre später eine Erleichterung dar, da er 8-wöchentlich und damit in einem deutlich größeren Intervall verabreicht wird. Somit konnte die Lebensqualität der Betroffenen gesteigert werden, doch nicht nur das: Ravulizumab sorgt auch für weniger Durchbruchhämolysen (= Zerfall von Blutkörperchen trotz Therapie). Zudem ist es das einzige Medikament, zu dem eine Studie zu Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Kindern existiert.

Alle PNH-Medikamente greifen in das sogenannte Komplementsystem ein. Das Komplementsystem ist schon seit immer in uns Menschen enthalten (und ist übrigens u.a. auch in Bakterien zu finden) und beschreibt einen Schutz, der sozusagen „einfach los geht“. Es ist dauerhaft ein bisschen aktiv, damit es, sobald der Körper Gefahr oder Stress wahrnimmt, sofort zusätzlich zu anderen Teilen des Immunsystems aktiviert wird. Normalerweise haben die körpereigenen Zellen einen Schutz vor diesem System – der fehlt bei der PNH bei einigen Zellen aber. Deswegen ist es sinnvoll, in der Therapie das Komplementsystem zumindest teilweise zu hemmen.

Da man damit aber auch einen Teil des Immunsystems blockiert, ist es wichtig, vor dem Start der Therapie mehrere Impfungen zu bekommen und/oder aufzufrischen, so – je nach Therapie – die Impfungen gegen Pneumokokken, Meningokokken und Haemophilus influenzae Typ B. Dies sind alles Bakterien, die auch nach der Entfernung der Milz besonders gefährlich werden. Ein Tipp dazu von Frau Dr. Höchsmann war, sollte man in der Notaufnahme die Konsequenzen einer PNH-Therapie erklären müssen, dies mit dem Zustand nach der operativen Entfernung einer Milz vergleichbar ist.
Das aktivierte Komplementsystem besteht aus einer Kaskade an verschiedenen Teilschritten. Ravulizumab und Eculizumab hemmen das C5, einer der letzten Teilschritte. Seit Ende 2021 kann man mit Pegcetacoplan therapiert werden, das im Gegensatz zu den anderen beiden Wirkstoffen einen früheren Teilschritt der Kaskade hemmt: das C3. Es wird in der Regel zweimal pro Woche über eine subkutane Pumpe verabreicht.

In der PRINCE- und der PEGASUS-Studie zeigte Pegcetacoplan sowohl bei Eculizumab-vorbehandelten als auch unvorbehandelten Patienten eine Besserung des Hämoglobin-Wertes, der Transfusionsfreiheit, dem LDH-Wert und der Retikulozyten. Außerdem zeigten die Patienten eine vermutlich dauerhafte Besserung im FACIT-Fatigue-Score (= Fragebogen zur Beurteilung von Fatigue-Beschwerden) von mindestens über 5 Punkten. Frau Dr. Höchsmann betonte aber, dass es schwierig ist, zu den Medikamenten, außer Eculizumab, eine Aussage zu Langzeitwirkungen zu tätigen, immerhin gibt es die meisten erst seit wenigen Jahren. Des Weiteren muss man bei jeglichen Studien stets im Hinterkopf haben, dass man sie nicht eins zu eins vergleichen kann, da immer andere Patienten mit abweichenden Ein- und Ausschlusskritierien untersucht werden.

In diesem Jahr erfolgte die Zulassung für weitere Medikamente: Als weiterer C5-Inhibitor wurde Crovalimab verfügbar, das alle vier Wochen unter die Haut gespritzt wird. Die ersten oral verabreichten Medikamente sind Danicopan (als Ergänzung zur Eculizumab-/Ravulizumab-Therapie) und Iptacopan. Iptacopan hemmt den frühen Teilschritt Faktor B, das Danicopan den ebenfalls früh auftretenden Faktor D und das Crovalimab das bereits bekannte C5. Die oralen Medikamente brachten noch einmal Besserungen mit sich wie im Anstieg des roten Blutfarbstoffs Hämaoglobin, mit Iptacopan z.B. gezeigt in der APPLY-Zulassungsstudie. Doch obwohl Iptacopan und Danicopan in Tablettenform vielleicht weniger „bedrohlich“/wichtig wirken, dürfen auch sie auf keinen Fall in der Einnahme vergessen werden.

Weiter könnte man meinen, dass Iptacopan als Tablette eine günstigere Therapiealternative darstellt – dem ist leider nicht so. Mehrere Patienten berichteten an dem Patiententag davon, dass die knapp halbe Million Euro, die die Therapie jährlich kostet, ihnen schlaflose Nächte und Sorgen bereitet. Immerhin sind sie nur eine von vielen chronisch erkrankten Personen, wieso sollte ihnen also so eine teure Therapie zustehen? So solle man aber nicht denken. Durch die Therapie werden eine Vielzahl an Folgeerkrankungen vermieden und außerdem: der Preis der Therapie ist weder Verantwortung noch Schuld der Patienten!

Diese und viele weitere Fragen konnten an diesem Patiententag umfassend beantwortet werden. Schließlich gab Frau Dr. Höchsmann noch die wichtigen Hinweise mit auf den Weg, dass es sinnvoll ist, immer erst einmal mit Ravulizumab zu beginnen, da die C5-Hemmung das bisher bewährteste und am längsten bestehende Therapiekonzept ist – die Nebenwirkungen sind bekannt, das Risiko eines Gefäßverschlusses gut einschätzbar. Doch jeder Patient ist anders, einige benötigen bei Beschwerdefreiheit vielleicht zuerst gar keine Therapie, einige sprechen auf keine der bisher zugelassenen an. Deswegen wird weiterhin geforscht und Sie können ein Teil davon sein, in dem Sie sich in spezialisierten Zentren vorstellen und sich über Einschlussmöglichkeiten in Studien und Registern informieren.

Um 13 Uhr konnten schließlich alle Teilnehmenden ihren Laptop zuklappen und den restlichen Samstag genießen. Wir hoffen, Ihnen hat der Überblick über diesen wertvollen virtuellen Patiententag gefallen, und dass wir Sie am 22.03.2025 in Ulm (wieder)treffen!

Text: Lydia Möws